Ausstellung Galerie Galerie Jette Rudolph
Der junge Berliner Künstler +Dennis Rudolph* (*1979 in Berlin, arbeitet in Berlin) inszeniert in seiner dritten Soloshow „De(n) Heilige(n) Krieg, Kap. II: Innerster Kreis (Nothwendigkeit)“ in der Galerie Jette Rudolph, als Fortsetzung von „ Der Heilige Krieg, Kap. I: Das Opfer der Jugend“ (NY, April 2008).#
Vier Portraits bilden das Herz der Ausstellung: Als Teil einer Serie von insgesamt 19 Portraits sind sie ausgehend von gefundenen Fotografien namenloser deutscher Soldaten und Intellektueller der Generation der 30er und 40er Jahre entstanden. In Grisaille überlebensgroß modelliert, erscheinen sie als Repräsentanten einer fiktiven ‚Deutschen Ahnengalerie’ pathetisch überhöht. Aus ihren eindringlichen Physiognomien– den entschlossenen, selbstgefälligen oder verstörten Blicken– schlägt uns der Geist des Fanatismus ihrer Epoche entgegen. Doch suchen wir das altbekannte Abzeichen auf ihren Krägen vergeblich: Das Emblem ihrer Ideologie ist verschwunden, ihre Namen sind aus Geschichte, Kunst und Mythologie entnommen. Auf diese Weise wird der nationalsozialistische Glaubensinhalt der ‚Ahnen’ aus dem Blickfeld gerückt und ihr mimischer Ausdruck zum formalen Kern einer unbestimmten ‚ideellen Entschlossenheit’ kondensiert: Die Charakterköpfe werden somit zu Ikonen einer nicht näher definierten Glaubensgemeinschaft. Prekäre Transformationen dieser Art und die Arbeit mit kulturhistorisch extrem aufgeladenen, ‚explosiven Material’ sind typisch für die künstlerische Strategie von Dennis Rudolph.#
Die Auseinandersetzung mit dem kulturellen Erbe schlägt sich auch in formalen Referenzen nieder, indem Rudolph altmeisterliche Techniken wie Tafelmalerei, Radierung und Holzschnitt (bzw. Linolschnitt) re-aktualisiert und historische Gattungen wie Portrait, Deckengemälde oder Landschaftsbild zeitgenössisch interpretiert. So macht „Herbst“ aus dem Zyklus „Ewiges Eis: Die vier Jahreszeiten“ Anleihen an romantische Landschaftsallegorien, wie wir sie von C. D. Friedrich kennen: Die Landschaft wird zum Medium einer tieferen Sinngebung, lässt sich also zeichenhaft entschlüsseln. Analog zur zyklischen Struktur der Jahreszeiten, welche auf Lebensabschnitte oder Zeitalter verweisen, bezieht sich „Morgenröte“ auf den kosmischen Lauf der Gestirne. In dieser Druckgrafik spitzt sich Rudolphs bevorzugtes semiotisches Vokabular– totes Ross, ewiges Eis, Kriegsgrab*, Säule und Adler (als heraldisches Tier)– zu den abstrakten, archaischen Symbolen Kreis und Dreieck zu. Diese Tendenz einer Öffnung kulturell relevanter Symbole hin zu universaler Gültigkeit kulminiert im Deckengemälde, das an die barocke christliche Tradition angelehnt ist: entkleidet von der christlichen Heilsgeschichte und deren himmlischen Heerscharen öffnet sich ein transzendenter, illusionistischer Raum über unseren Köpfen.#
Rudolphs Bilder sind gekennzeichnet von solchen Leerstellen: wir finden weder christliches Kreuz, noch Hakenkreuz. Die symbolische Aufladung der verwendeten Allegorien und Symbole bleibt offen, denn alle determinierten Wahrzeichen des Glaubens sind aus der Bildsprache verbannt. Nach dem von Jean-Francois Lyotard proklamierten‚ Ende der großen Erzählungen’ und dem unwiderruflichen Eintritt ins Zeitalter der Postmoderne artikuliert sich in Rudolphs Bildern der Verlust der Einbettung in ein gesellschaftliches, politisches oder religiöses System. Der leere, aufgewühlte Wolkenhimmel ist das ultimative Sinnbild für diesen Verlust und seine Überwindung durch die Kunst.#
K. Weinstock
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