Compilation Ausstellung Frankfurt-M

Ausstellung Galerie BERNHARD KNAUS FINE ART GmbH

Datum: 11.02.2010 - 14.04.2010

Künstler: Daniele Buetti, Ayse Erkmen, Marcel Odenbach, Tamara Grcic, Peter Schlör, Lawrence Weiner, Petra Wunderlich

Veranstalter & Ort:
Galerie BERNHARD KNAUS FINE ART GmbH
60329 Frankfurt-Main
Niddastrasse 84

Compilation/Kompilation wird in Literatur und Wissenschaft meist abwertend verwendet für
"unschöpferisch aus anderen Werken zusammentragen". Der Begriff wurde erstmals von
Cicero in seinen Briefen spottweise für eine Aktensammlung verwendet. Im Englischen ist der Begriff neutraler, mit Compilation ist eher eine Anthologie gemeint, die Konnotation der
Plünderung fehlt, dafür verwendet man das Idiom "scissors-and-paste job". In der bildenden
Kunst ist die Kompilation erst durch die vielfältigen Möglichkeiten der technischen
Übertragung ein Thema geworden.
In der Musikindustrie ist Compilation eine Zusammenstellung von Musiktiteln mit einem
thematischen Zusammenhang. Eine andere Bezeichnung ist Sampler oder auch Hitkopplung.
Doch ist eine Compilation kein Sampling, denn im Allgemeinen übernimmt der Kompilator die einzelnen Songs unverändert. Werk wird neben Werk gestellt, künstlerische Einzelposition neben künstlerische Einzelposition. Jeder der einen MP3 Player mit Titeln bestückt, ist somit heutzutage sein eigener Kompilator, oder allgemeiner, jeder der irgendetwas sammelt und Bezüge herstellt macht Compilations.

Am Ausgangspunkt für die Überlegungen zu dieser Ausstellung stand der Roman Nadja von
André Breton, an den das Video Bolek von Tamara Grcic erinnerte. Das "aus dem Leben
gegriffene", schmucklose Dokument, wie Breton sein Werk im Vorwort nennt, erweist sich als Resultat eines raffinierten Kompilierens von Wahrnehmungsimpulsen. In den Bruchstücken, die man über Nadja erfährt, setzt sich im Kopf des Lesers die Erscheinung Nadjas zu einem Bild zusammen, in dem sich ihre Identität und die des Autors gegenseitig spiegeln. Die nicht mehr kontinuierlich erzählende Struktur und die Verwendung von Fotografien als Realitätsverweis, gibt dem Ganzen eine verunsichernde Authentizität. Beutet der Autor, dessen zu Beginn gestellte Frage nach seiner eigenen Identität im Text immer mitschwingt, Nadja aus?

Beabsichtigt ist mit dieser Ausstellung keine "alternative Beschreibung" der Welt
(Rekonstruktion), kein anderer Blickwinkel, sondern das Aufzeigen der relativen Sicherheit
unserer Wahrnehmung der Welt und der intuitiven Erkenntnis der Betrachter. In der Art wie
mit Hilfe künstlerischer Verfahren Realität gezeigt wird, wo mit diskontinuierlichen,
asyntaktischen, unvorhersehbaren Strukturen unsere Wahrnehmungsgewohnheiten attackiert werden und wir daraus dennoch unsere Welt als in sich kohärent konstruieren.
Die Ausstellung "Compilation" verstehen wir als Struktur einer offenen Zusammenstellung von Werken oder Werkgruppen einzelner Künstler. Zugleich ist Kompilation auch ein Verfahren, welches viele Künstler für das Präsentieren ihrer Werke, aber auch als Produktionstechnik in ihren Werken oder Werkserien verwenden um offene Strukturen oder Strukturen mit Leerstellen zu erzeugen.

In Tamara Gricics Video Bolek aus dem Jahre 2000 scheint die Hauptfigur nur Interesse an
der Wirkung zu haben, die sie erzielt in diesem neuen Umfeld, das ihr der Film ermöglicht:
diskontinuierlich Realitätsfetzen aneinandergereiht, nicht Sampling, das durch strukturiertes Aneinanderfügen und Repetitieren von Fetzen Eindrücke erzeugt, sondern
interaktionistisches Konstrukt. Hier wird kein Erzählstrang geschaffen, sondern eine offene
Struktur, als Angebot an den Betrachter aus dem sich ihm Präsentierten sein Konstrukt zu
bilden. In ihrer Serie Stills entsteht aus dem frei wählbaren Setzen einer Aufnahme neben
eine andere, aus der Differenz oder Ähnlichkeit, ein Netz von Bezügen, ein beabsichtigtes
Nebeneinander.

Verglichen mit den Statements sind die Videoarbeiten von Lawrence Weiner wenig bekannt.
Er selber bezeichnet diese als structures, konstruierte Strukturen, innerhalb derer sich
unverbundene, aber simultane Realitäten herausbilden können. Neben filmischen oder
animierten Elementen können dabei oft Visualisierungen oder Rezitate seiner eigenen
Arbeiten eine gleichwertige Stellung einnehmen. In seinem letzten Video WATER IN MILK
EXISTS, 2008 setzt er bewusst künstlerische und pornografische Konventionen
nebeneinander.

Peter Schlör schafft mit seinen Schwarzweiss-Fotografien Realitäten, die so nicht
fotografierbar sind und sich auch klar als hergestelltes Bild zeigen. Es sind Bilder, die eine
persönliche Erfahrung wiedergeben, kompiliert aus der Bewegung im Raum, wie wir sie sonst nur in der Erinnerung, als Erfahrung aus der eigenen Bewegung oder Veränderung abzurufen vermögen.

Nadja ist seit 30 Jahren Petra Wunderlichs Lieblingsbuch. Als Metapher der Plünderung
lassen sich ihre Marmor-Steinbrüche lesen. Aber es sind auch offene Bilder, denn sie sind nur eine Momentaufnahme. Jederzeit kann ein weiterer Ausbruch von Steinblöcken ein anderes Bild entstehen lassen. Nur schwer lassen sich jeweils die Grössenverhältnisse erahnen, die jedoch gewaltig sind – als Rohstoff wertvollster Skulpturen.

Offensichtlich als Kompilation angelegt sind die beiden gezeigten Arbeiten von Daniele Buetti – Werbe-Schönheiten, deren Perfektion sich durchaus auch als digital idealisiert und somit reiner Schein entpuppen könnte. Sie sind perfekte Projektionsflächen. Irritation erzeugt die bildliche (Zer-)Störung durch eingestochene Texte. Es sind jedoch tatsächlich Leerstellen, die uns das Licht aus dem Raum hinter den Bildern wie aus dem Off entgegenstrahlen lassen.

Marcel Odenbach strukturiert Verstreutes durch Reproduktion zu Bildern, deren einzelne Teile uns aus den Massenmedien vertraut sind. Aus Verweisen wird ein Spielraum für den
Betrachter und dessen Erinnerungen geformt. In seiner Arbeit "Im Kreise drehen" wird durch Ausschneiden dieser Verweis wieder relativiert, wenn durch die Leerstellen der Satz "Wenn man nur seine Vergangenheit so leicht ausspucken könnte" sich endlos wiederholt und buchstäblich Sprache zwischen den Bildern wird.

Die veränderte Wahrnehmung durch die Vorinformation via Internet über Orte, die man zu
besuchen beabsichtigt, ist Auslöser der Arbeit von Ayse Erkmen. Sie nutzte das Intro des
Centre d'art contemporain d'Ivry - le Crédac anlässlich des Ausstellung "Variations continues" für ihre Videoarbeit Hearts and Circles. Es wird zu einer Leerformel der Aufmerksamkeit und somit zu einer für ihre Arbeit typischen Reflektion, die auf das Ermöglichen einer Auseinandersetzung des Betrachters mit der spezifischen Situation einer Ausstellung abzielt.
Ads
Not there — here

03.11.2023 - 28.01.2024
Not there — here

Herbert Hinteregger

04.09.2020 - 31.10.2020
Herbert Hinteregger

Silver Lining

30.05.2020 - 29.08.2020
Silver Lining

Le Singe Peintre

07.02.2020 - 28.03.2020
Le Singe Peintre

Lena von Gödeke - Keoitt

06.09.2019 - 26.10.2019
Lena von Gödeke - Keoitt

LOVECRAFT

06.06.2019 - 31.08.2019
LOVECRAFT

von gehäuftem jetzt

06.04.2019 - 31.05.2019
von gehäuftem jetzt

Art Karlsruhe 2019

20.02.2019 - 24.02.2019
Art Karlsruhe 2019