Ausstellung Museum Museum für Aktuelle Kunst - Sammlung Hurrle Durbach bei Offenburg
Lothar Fischer (1933-2004), Heimrad Prem (1934-1978), Helmut Sturm (1932-2008) und Hans Peter Zimmer (1936-1992) bilden den harten Kern der Gruppe SPUR, eines Phänomens, dessen Protagonisten – wie bei allen Gruppenbildungen – unterschiedlichste Beweggründe zunächst zusammenführen, für eine gewisse Zeit zusammenhalten und letztlich zum Auseinandergehen zwingen. „Gruppe SPUR“ hielt acht lange Jahre von 1957 bis 1965 und als freundschaftliche Verbundenheit noch viel länger. Es ist die Formation der „klassischen“ Rockband in den 1960er-Jahren, die von heute aus das naheliegende Modell abgibt, um sich das tagtägliche Einerlei des Übens, das selig verlorene Spielen im Flow, die oft improvisierten Auftritte und den Ärger über die vorenthaltene Gage eindringlich vorzustellen. Und in der nicht enden wollenden Nacht hat auch das Publikum seinen festen Platz – im Gegenüber. Vier Individuen, drei Maler und ein Plastiker, ergreifen die Initiative.
Schon zu Beginn der 1950er-Jahre waren sich die „Vollblutmaler“ Prem und Sturm an der Münchner Kunstakademie in die Arme gelaufen, hatten Lothar Fischer, den stillen aber fleißigen Eigenbrötler aus der Klasse von Heinrich Kirchner, ins Visier genommen und sich mit HP Zimmer 1957 intellektuell scharfzüngige Berliner Verstärkung gesichert. Über Jahre hin und in ihrer eigenen Sicht der Dinge war es in großem Bogen das Zusammenspiel dieser vier Individualisten, das es ermöglichte, die SPUR als immer neue Spur der Ereignisse zu bestimmen. Erwin Eisch, Gretel Stadler, Uwe Lausen, Jaqueline de Jong, Asger Jorn, Dieter Kunzelmann u.a. bilden zu unterschiedlichen Zeiten je verschiedene Verstärkungen der Gruppe. Prem, Sturm und Eisch kamen aus dem Bayerischen Wald. Sie hatten die überbordende Fülle des Barock schon als Kinder am eigenen Leib erfahren. Man kannte die Wiesn ebenso wie die Wies, alles von Schongauer, Dürer und Baldung Grien. Der Kandinsky der Hinterglasbilder war ein noch ernstzunehmender Vorreiter. Man war sich schnell einig im umherschweifenden „Wissenwollen“, was von der einstigen Tradition der Moderne im Heute noch zu gebrauchen war: Beckmann, Klee und van Gogh sowieso. Das Neueste aus Paris kannte man nicht, – höchstens vom Hörensagen und nur in Schwarzweiß, und das war nicht die Art von Kenntnis, die bei der SPUR unter „Erkenntnis“ verstanden wurde.
Einen ersten Verbündeten findet die noch junge SPUR in Hans Platschek. In seinem Buch Neue Figurationen. Aus der Werkstatt der Malerei zeigt er einen Weg jenseits der inzwischen offiziell propagierten „Weltsprache Abstraktion“ auf. Zum entscheidenden Katalysator wird dann allerdings der Däne Asger Jorn, durch den die SPUR nicht nur erste Ausstellungsmöglichkeiten im Ausland erhält, sondern auch mit der Internationale Situationniste (I.S.) in Kontakt kommt. Diese Gruppierung sollte für die nächsten zehn Jahre Europas avancierteste Vordenker stellen und das Phantom der Avantgarde ein letztes Mal durch die Straßen der Metropolen jagen. 1959 wird die SPUR auf der dritten „Internationalen Konferenz“, die in München stattfindet, ein Teil der I.S., schon 1962 wird die Gruppe, wie viele andere Künstler auch, wieder ausgeschlossen. Die Jahre in der I.S. bringen der SPUR als „deutscher Sektion“ nicht nur zahlreiche internationale Kontakte, sondern auch ein neues Instrumentarium an Begriffen. Es geht ums Ganze, natürlich um eine Kritik des Alltagslebens und selbstredend um die „Konstruktion von Situationen“.
Die Geheimnisse der Imagination, die Möglichkeiten, das „Bild“ durch Diskussion und praktische Erforschung seiner Zusammenhänge im Kollektiv zu erweitern, sahen die Künstler der SPUR als Chance. Die Mittel sind forcierte Spontaneität, freie Linienbewegungen, das Vertrauen auf die aus der „Bildtiefe“ kommende imaginistische Aufladung des Farb-Raum-Geschehens ebenso wie deutlich erkennbare Anspielungen auf Realitätsfragmente. Spielerisch wird auf dem Bild „Welt“ erzeugt, und so ein „neues“, nie gesehenes Bild, eine neue Realität geschaffen, die dem Anspruch, ein tatsächliches „Ding“ in dieser Welt zu sein, auch standhält.Die Ausstellung Vagabundierende Unruhe – Gruppe SPUR im Museum für Aktuelle Kunst in Durbach versammelt rund 120 Kunstwerke, zahlreiche Dokumente und den 1961 von Albert Mertz gedrehten Film So ein Ding muss ich auch haben. Die Bilder und Objekte zeigen das kraftstrotzende Panorama einer Gruppe junger Künstler, die schon zu ihrer Zeit internationales Aufsehen erregen konnten. Die Malerei der SPUR, oft grell farbig, facettenreich und stets sich selbst als unmittelbares Ereignis feiernd, erscheint im Zusammenspiel mit jenen Künstlerinnen und Künstlern, die den Weg der SPUR zwischen 1957 und 1965 maßgeblich begleiteten. Beispiele zeitgleicher Entwicklungen runden den Schnitt durch die Zeit ab.
Zur Ausstellung erscheint eine gleichnamige Publikation mit mehr als 100 Farbabbildungen. Texte von Axel Heil, Rüdiger Hurrle, Andreas Neufert, Hans Platschek u.a., im Wunderhorn Verlag, Heidelberg (ca. 100 Seiten).
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