Ausstellung Galerie Galerie Karsten Greve
Die Galerie Karsten Greve freut sich, die Ausstellung John Chamberlain – Skulptur & Fotografie mit Werken des renommierten US-amerikanischen Künstlers John Chamberlain (1927-2011) ankündigen zu können. Die Einzelausstellung würdigt die markantesten Ausdrucksformen und Entwicklungen in Chamberlains Œuvre, indem sie Skulpturen, Fotografien und Papierarbeiten vereint. Die ausgestellten Werke wurden durch Karsten Greve, der seit nunmehr über 30 Jahren John Chamberlain als Galerist vertritt, persönlich vom Künstler erworben.
Das gestalterische Repertoire Chamberlains umfasst insbesondere die Disziplinen der Skulptur, der Fotografie und des Films, aber auch Malerei, Zeichnung, Collage und Druckgraphik, stets geleitet von einem intuitiven, beinahe ritualistischen Schaffensprozess, bei dem allein die Ideengebung und das eigene Ermessen des Künstlers die Leitlinie bilden. Die für ihn charakteristischen Merkmale der instinktiven Improvisation, des unbändigen Strebens nach Neuentdeckungen sowie die Infragestellung gewohnter Konventionen der Bildhauerei lassen die solitäre Position Chamberlains in der zeitgenössischen Kunst erkennen. Wiederholte Versuche, ihn künstlerischen Bewegungen oder teils sogar widersprüchlichen Kategorien zuzuordnen, bleiben vergeblich und unterstreichen lediglich seine Einzigartigkeit. Zwischen abstraktem Expressionismus, Pop Art und Minimalismus changierend, beflügelten seine Werke die Fantasie anderer Künstler und ließen insbesondere durch die Verwendung von Karosserieteilen von Automobilen – gefeiert als historische Innovation Chamberlains in der Kunst – als auch eine außergewöhnliche Farbgebung Kritiker fortwährend staunen.
Aufgrund seiner häufig anspielungsreichen Werktitel wurden ihm mitunter sozialkritische Tendenzen zugesprochen, während er selbst Deutungen in diese Richtung entschieden zurückwies. Zweifellos trafen seine farbintensiven Arbeiten jedoch den Nerv der obsessiven Konsumkultur im modernen Amerika. Gleichzeitig als Verkörperung neutraler Bedeutungsfreiheit, gar reiner Ausdruckslosigkeit gedeutet oder aber in sozio-kulturelle Zusammenhänge eingeordnet, stellten diverse Werkinterpretationen den Künstler wiederum ins Zentrum eines komplexen Diskurses.
Während seines gesamten Schaffens experimentierte John Chamberlain in verschiedensten künstlerischen Richtungen. Im Jahr 1956 entdeckte er jedoch, in einem Moment schicksalhafter Erfindung, seine unver-wechselbare Assemblage-Technik, die den Mythos belebte, amerikanische Nachkriegskunst entspringe einer Synthese aus Inspiration, Muskelkraft und Zufall, gleichzeitig handle der Künstler aber aus einer kontrollierten kreativen Intuition und Absicht heraus.
Chamberlains ausbalancierte, zu eindrucksvollen Monolithen geformte Skulpturen stellten anfänglich einen visuellen Bezug zu den vorausgegangenen Arbeiten von David Smith, Franz Kline und der lebhaften Farbpalette Willem de Koonings her. Angetrieben von einem großen Interesse am Zusammenspiel von Volumen, Anordnung und Farbe, entwickelte er seine individuelle Arbeitsweise, die sich durch eine aggressiv-kraftvolle Bearbeitung und Verformung von Materialien auszeichnete, um dann kompaktere volumetrische Zusammenstellungen wiederaufzunehmen. Zunächst aus kleinen Metallfundstücken, im Weiteren aus verschrotteten Autowrackteilen bestehend, veränderten sich nachfolgende Arbeiten in größere, zusammengeschweißte Formen aus gedrehtem und verkrümmten Stahl, welche in ausgereifter Form gleichsam monumentale Scheiterhaufen aus Metall bildeten, bestehend unter anderem aus fabrikneuen Elementen, die der Autoindustrie entstammen. Als Ziel hatte er bei jedem Werk den Moment im Blick, in dem alle Bestandteile plötzlich perfekt ineinandergreifen und den er selbst ‘the right fit‘ nannte. Als notorischer Rebell missachtete Chamberlain zudem die kritische Betrachtung der Verwendung von Farbe in der Skulptur, indem er die vorhandene, industriell polierte Farbgebung in seinen Arbeiten um weitere Nuancen ergänzte.
Wechselwirksam zu seinen Skulpturen, zeigt sich das zentrale Thema der ‚Verkrümmung des Raums‘ (engl. ‘bending space‘) auch in John Chamberlains ebenso spontan-gestischen und improvisierten fotografischen Kompositionen, welche seinen spielerischen und zugleich direkten Umgang mit kreativen Prozessen widerspiegeln. Mit Hilfe einer Widelux-Kamera, die ursprünglich zu Zwecken der urbanen und ländlichen Dokumentation durch Panoramaaufnahmen entwickelt wurde, begann Chamberlain 1977 zu experimentieren. Während der sukzessiven Belichtungszeit führte er die Kamera mit schwenkenden oder ruckartigen Bewegungen durch den Raum. Diese beinahe filmische Methode ermöglichte es ihm, verschiedene Perspektiven in einem einzigen Bild festzuhalten, Umrisse, Strukturen, Farben und Licht auf überraschende Weise zu verformen und Bewegungsspuren sichtbar zu machen.
Die Galerie Karsten Greve hebt in der aktuellen Ausstellung essenzielle Grundlagen seines Œuvres hervor und skizziert die künstlerische Wandlungsfähigkeit Chamberlains, die sich anhand von maßgeblichen Skulpturen wie beispielsweise Silver Plait (1976), Pastoraldebris und Bloodydrivetrain (beide 2007), aber auch von einzelnen Papiercollagen und rund 40 ausgewählten charakteristischen Fotografien nachvollziehen lässt. Bereits im Rahmen der Ausstellung Choices im New Yorker Guggenheim Museum im Jahr 2012 präsentiert, stellt Gondola Charles Olson (1982), einen Höhepunkt der Ausstellung dar. Die großformatige Bodenskulptur aus der berühmten dreizehnteiligen Werkgruppe der Gondolas, schuf Chamberlain als Hommage an amerikanische Schriftsteller, Dichter und andere Kreative – Charles Olson selbst war ein Semantiker - welche intensiv mit der Verwendung von Sprache in Verbindung standen und betitelte sie jeweils nach ihren Namen. Ein Beispiel aus seiner Gruppe von Kisses (1979) strahlt die unvergleichliche Energie, die all seinen Werken innewohnt, auf unverkennbar sinnliche Weise aus.
1927 in Rochester, Indiana, geboren, besuchte John Chamberlain Mitte der 1950er Jahre das legendäre Black Mountain College, an dem der Austausch mit den anwesenden Künstlern und Dichtern wie Charles Olson, Robert Creeley und Robert Duncan, tiefgreifende Auswirkungen auf seine anschließende Karriere haben sollte. Bereits seit den frühen 1960er Jahren haben Chamberlains Arbeiten Eingang in zahlreiche bedeutende Sammlungen gefunden. Im Jahre 1961 war er auf der Biennale in São Paolo sowie 1964 auf der Biennale in Venedig vertreten. 1971 und 1986 widmeten ihm das Guggenheim Museum in New York und das Museum of Contemporary Art in Los Angeles jeweils große Retrospektiven, gefolgt von bedeutenden Ausstellungen in der Kunsthalle Baden-Baden (1991) und im Stedelijk Museum Amsterdam (1996). Bis zu seinem Tod im Jahr 2011 in New York arbeitete Chamberlain in Studios in New York, Florida und zuletzt Shelter Island.
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