Ausstellung Institution Kunsthalle Tübingen
Datum: 11.03.2017 - 11.06.2017
Künstler: Ruben Aubrecht, Mark Boulos, Florian Haas, Sven Johne, Johanna Kandl, Gabriel Kuri, Christin Lahr, Filip Markiewicz, Gunter Reski, Superflex, Paolo Woods/Gabriele Galimberti, Holger Wüst, Ulrich Wüst
Veranstalter & Ort:
Institution Kunsthalle Tübingen
72076 Tuebingen
Philosophenweg 76
„Ich bin soweit, dass ich in fünf Wochen mit der ganzen ökonomischen Scheiße fertig bin“, schrieb Karl Marx im Frühling 1851 an Friedrich Engels. Selten lag jemand mit einer Einschätzung gründlicher daneben. Stattdessen wurde für Marx die Kritik der Politischen Ökonomie zur Lebensaufgabe und hat auch heute nichts von ihrer Dringlichkeit und Tragweite verloren: Denn zum einen ist die Analyse von „Das Kapital“ nach wie vor eine Großbaustelle der Politikwissenschaften und der Wirtschaftstheorien und zum anderen wird die Kluft zwischen Arm und Reich weltweit stetig größer und die soziale Ungleichheit steigt an. Marx hatte dargelegt, dass dies von Menschen gemachte Verhältnisse sind. Sie als unvermeidliche Nebeneffekte eines eigentlich richtigen Systems zu denken, wäre nach Marx selbst Effekt einer Kraft, die er – in Analogie zu religiösen Einbildungen – als Warenfetisch bezeichnete.
Vielleicht sind es im Kern Kapitalströme, die heute jeden Wandel der Welt bestimmen, nicht nur in Wirtschaft und Politik, sondern auch mit Blick auf soziale, kulturelle, wissenschaftliche oder ökologische Entwicklungen. Grenzüberschreitende Investitionen und Handel scheinen alle Daseinsbereiche zu prägen. Durch die zunehmende Globalisierung der Märkte ist der Import und Export von Kapital – sei es in Form von Geld, materiellen oder immateriellen Gütern oder Menschen – zum allgegenwärtigen Modus geworden, zu einer scheinbar zwangsläufigen Notwendigkeit beziehungsweise zu einem Selbstzweck. Wie könnte man sich dies bildhaft vorstellen?
Im Rahmen ihrer Wiedereröffnung nach langer Umbaupause und als Pilot ihres neuen Programms zeigt die Kunsthalle Tübingen von März bis Juni 2017 unter dem Titel KAPITALSTRÖMUNG eine thematische Gruppenausstellung auf etwa 800 Quadratmetern in sieben Räumen. Die beiden Teile dieses Titels bieten Konnotationen, die in unterschiedlicher Weise auf die Werke der 13 beteiligten Künstler bezogen werden können. So meint „Kapital“ nicht nur Produktionsmittel sowie Real-, Geld- und Humankapital in Form von Waren, Wertpapieren und Arbeitskräften, sondern bringt auch Marx’ berühmte Theorie ins Spiel. Und „Strömung“ kann einerseits als unweigerliche, quasi natürliche Bewegung verstanden werden – hier also: von Kapital – und anderseits somit als ein kapitalistischer Trend oder eine organisierte Ideologie.
Den Werken dieser Ausstellung geht es um Bilder von Kapitalströmen und vom Status Quo des globalen Kapitalismus: Künstlerisch kommentierende oder abstrahierende Bilder vom Wert des Geldes (z.B. am Finanzwirtschaftszentrum Frankfurt oder im Steuerparadies Kaiman-Inseln), von kapitalistisch gedachten Menschenströmen (aus etwa Touristen oder Flüchtlingen) und von der Eigendynamik des Reichtums; Bilder zu medialen Brandmarken wie „Luxemburg-Leaks“, „Panama Papers“ oder „Euro-Krise“ – aber auch von Befreiungsmomenten. Die versammelten und zum Teil eigens angefertigten Werke (Malereien, Zeichnungen, Videos, Installationen, Wandbilder, Fotografien und Skulpturen) betonen dabei die Anschauung: Sie kreisen eher um Metaphern, symbolische Gesten, Indizien und Zuspitzungen, als um konkrete Fallanalysen. Die beteiligten Künstler nähern sich ihren Sujets eher assoziativ, als über journalistische Recherchen oder politische Stellungnahmen. Einige von ihnen sind augenscheinlich von Karl Marx‘ Theorien zu Kapital, Arbeit und Ware inspiriert und suchen nach künstlerischen Übersetzungen dieser Theorien in die Gegenwart, also nach symptomatischen Phänomenen. Andere zeigen erstens, dass auch Kunstwerke Elemente internationaler Kapitalströme sind, und zweitens, wie die willkürlich erscheinende Entwicklung von Preisen und Werten selbst zu einem künstlerischen Sujet werden kann.
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