Ausstellung Galerie Dukan Leipzig
Datum: 13.04.2018 - 09.06.2018
Künstler: Duncan Wylie
Veranstalter & Ort:
Galerie Dukan Leipzig
04179 Leipzig
Spinnereistraße 7, Halle 18. l.
Inmitten von Moden und ephemeren Trends widmet sich Duncan Wylie der eigentlichen Aufgabe der Kunst und der Malerei: die Tiefenstruktur und Vielschichtigkeit der Welt zum Ausdruck zu bringen, die Potentialität inmitten des Realen, das Geschrei des Seins (auch, wenn es möglicherweise nur die Lautstärke des kreativen Geistes ist, der sie wahrnimmt). Große, geniale Kunst lässt in der Welt, die sie abbildet, immer auch noch eine andere Welt sichtbar werden und hat ihr Leben im gegenseitigen Widerspiel und dem gegenseitigen Durchdringen dieser Welten bzw. Seinsbereiche.
Das ist die ewige Aufgabe der Malerei und ihr eigentlicher Sinn! Duncan Wylie bildet die Tiefenstruktur der Welt ab in einer Zeit, in der, physikalischen Spekulationen zufolge, unser Universum in eine unendliche Vielzahl von Multiversen eingebettet ist, in denen wir selbst unendlich oft, mit alternierenden Geschichten, auftreten. Duncan Wylie hat neue Lösungen gefunden, den Reichtum und die Tiefe der Welt darzustellen. Geboren 1975 in Zimbabwe, fällt ein gewisses Nomadentum in der Biographie von Duncan Wylie auf – der gegenwärtig in London lebt und arbeitet. Ausgehend von der Erfahrung der Vertreibung von (in Zimbabwe weißen als auch, und zahlenmäßig umso mehr, farbigen) Siedlern und der Zerstörung ihrer Häuser als auch dem Versuch der Zerstörung ihrer Identitäten und ihres Gemeinschaftsgefühls, bilden Akte der Zerstörung bzw. devastierte Architekturen ein frühes Grundmotiv in den Werken von Duncan Wylie – reflektierend verlängert in die Aufgabe, den „Augenblick“, dem Impakt – möglicherweise „das Ereignis“ – einzufangen, sowie den Zufall, das Schicksal; inmitten dessen die metaphysische Unbehaustheit des Menschen innerhalb des Seins, dessen Sinn offensichtlich abwesend ist, oder erst konstruiert werden muss. Zutiefst existenzielle Motive. Wenngleich in seinen Bildern meistens keine Menschen vorkommen – von zeitweiligen rätselhaft unverblümt-unmittelbaren Porträts unter anderem von Robert Mugabe abgesehen – ist es in letzter Zeit die Figur des Seiltänzers, die öfter bei Duncan Wylie auftaucht.
Ein Gradwanderer, der sein autonomes Selbst mühsam konstruiert, ein originärer Künstler, der zwischen Kosmos und Chaos als den Elementen wandelt – die Selbsterschaffung und graduelle Selbststabilisierung des Menschen in einer potenziell chaotischen Welt, die Erlangung autonomer, den Zumutungen der Welt gegenüber souveränen Subjektivität, ist die Botschaft, die Duncan Wylie dem Menschen mitzuteilen hat – weniger als eine harsche, autoritäre Aufforderung denn als Vermittlung von Hoffnung und als Zeichen des Respekts für die individuelle Gradwanderung, den individuellen Lebensweg, die individuellen Kämpfe jedes einzelnen. In seinen jüngsten Arbeiten, die in der Galerie Dukan erstmals gezeigt werden, scheint Duncan Wylie bei einem Subjekt angelangt zu sein, das über eine etwas sicherere Bahn (Eisenbahngeleise) wandelt, und das beginnt, von seinem inneren Material, seinen Innenräumen produktiv chaotisch überlagert zu werden, das zunehmend komplexer und reichhaltiger wird. Er nennt sie „self constructing figures“. Die Doppelbedeutung von „construct“ scheint eine wesentliche Inspiration zu sein: insoweit ein Konstrukt eine definitive materielle Konsistenz und Objektivität haben kann, aber auch etwas Subjektives (z.B. „ein ideologisches Konstrukt“) sein kann – damit eben auch ein Akt der Schöpfung. Haben wir es mit einer Verhältnisbestimmung Subjektiv – Objektiv zu tun? Dem Ineinanderspielen von beiden? Man bemerke, wie sich die „explodierenden“ Subjekte und die Welt, der Hintergrund, in den sie eingelassen sind, offensichtlich überlagern. Gleichermaßen figurative wie auch abstrakte Kunst.
Die Architektur in diesen Werken ist nunmehr intakt, die Welt scheinbar „heiler“. Zusätzlich präsentiert sich Duncan Wylie in dieser Ausstellung auch noch auf eine neue Art und Weise mit seinen Gravuren „(Various) Disasters for Democracy“: Kaltnadelradierungen, die an das Dämonische im Dasein gemahnen und die an Alfred Kubin erinnern – entdeckt Duncan Wylie auch die Möglichkeiten des Surrealismus für sich? Duncan Wylies Kunst bleibt, wie es heute selten der Fall ist, universal, und in ihren Aussagen von universaler Gültigkeit. Nichts entkommt letztlich ihrem Blickwinkel; in der Hoffnung, die sie vermittelt, liegt Mahnung, in der Mahnung Hoffnung. Philip Hautmann (geb. 1977 in Linz) ist Schriftsteller und Philosoph und lebt in Wien.
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