Lange rückte diese Technik der Druckgrafik in den Hintergrund, bis Künstler in ganz Europa zu Beginn des 20. Jahrhunderts den Holzdruck als Ausdrucksform wiederentdeckten. Insbesondere der Farbholzschnitt erlebte einen nie gekannten Höhepunkt. Beeinflusst von der Tradition japanischer Holzschnitte, erlebte der Farbholzschnitt in den Jahren 1900 bis 1910 einen wahren Hype.
Anzeige
Emil Orlik, Drei Mädchen beim Brettspiel, 1906/08, Farbholzschnitt
in Schwarz, Grün, Gelb, Rot, Grau-Grün und Graublau auf Japanpapier, Bild: 22,2 x 29 cm, Wien, Sammlung Eugen Otto, Foto: Norbert Miguletz
Wien tat sich hier besonders hervor und sorgte durch die Mitglieder der Wiener Secession wie etwa Carl Moll und Emil Orlik für neue künstlerische Fantasie kombiniert mit einer neuen Bildsprache.
Dank der Technik waren die Druckgrafiken auch für nicht so betuchte Sammler und Kunstinteressierte plötzlich interessant. Kunst kaufen wurde erschwinglich. Kunst bzw. das Kunstwerk als Original verließ den über Jahrhunderte geschützten "Elfenbeinturm". Die Debatte, die zu Authentizität und Originalität damals entfacht wurde, täte dem heutigen Kunstmarkt und Hype wohl ebenfalls wieder sehr gut.
Karl Anton Reichel, Weibliche Aktstudie, 1909 (Querformat),
Farbholzschnitt, Blatt: 38 x 52 cm, Albertina, Wien, Inv. DG1910/365 © Albertina, Wien
Erwin Lang, Grete Wiesenthal (Das rote Mädchen), um 1904,
Holzschnitt auf Papier, koloriert, 38 cm x 36 cm, UAK Wien, Kunstsammlung und Archiv / Schenkung O. Oberhuber
Die Wiener Secession und deren Künstler können wohl als Keimzelle der Wiederentdeckung dieser Kunsttechnik bezeichnet werden. Die Geschichte bzw. historischen Rahmenbedingungen jener Zeit fungierten als Katalysator für die Technik des Farbholzschnittes. Eindrucksvoll nachzulesen und vor allem anzuschauen ist dies in der Ausstellung "KUNST FÜR ALLE. DER FARBHOLZSCHNITT IN WIEN UM 1900" in der Schirn Frankfurt (bis 3. Oktober 2016) und dem dazugehörigen Ausstellungskatalog (Taschen Verlag).
Die in Kooperation mit der Albertina in Wien entstandene Ausstellung in Frankfurt zeigt mit 240 Werken von über 40 Künstlerinnen und Künstlern, eine beeindruckende Übersichtsschau zum Farbholzschnitt.
Wer sich den Katalog "Kunst für alle. Der Farbholzschnitt in Wien um 1900" zulegt, braucht nicht nur Platz, sondern auch Zeit. Das opulente Werk, 38x26cm groß und 416 Seiten stark, aus dem Taschen Verlag ist in jeder Form beeindruckender Katalog. Der riesige Ausstellungskatalog behandelt alle wichtigen Themen der Ausstellung. Tolle Farbbilder zeigen nicht nur Werke beteiligter Künstler, sondern auch Abbildungen von Publikationen und Künstlerbücher jener Zeit. Wer es zur Ausstellung in die Schirn Frankfurt nicht schafft, für den ist der Ausstellungskatalog zwar kein Ersatz, aber ein Muss!
Katalog "Kunst für alle. Der Farbholzschnitt in Wien um 1900"
Taschen Verlag
416 Seiten, dt., engl., franz.
jetzt bei Amazon bestellen