Für das Dix-Bild war es im vergangenen November sprichwörtlich "5 vor 12". In der Auktion „Ausgewählte Werke“ vom 29. November 2012 sollte es mit der Losnummer Nr. 7 im Auktionshaus Villa Grisebach versteigert werden. Taxiert wurde das Dix-Gemälde "Sonnenaufgang" damals auf 300.000 bis 400.000 Euro. Doch das Bild wurde kurz vor der Auktion zurückgezogen.
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In intensiven Verhandlungen mit dem damaligen Eigentümer und Einlieferer, dem Auktionshaus Grisebach und der Städtischen Galerie wurde auf eine Versteigerung verzichtet. Zusammen mit vier Stiftungen, der Kulturstiftung der Länder, der Ernst von Siemens Kunststiftung, der Hermann Reemtsma Stiftung sowie der Rudolf-August Oetker-Stiftung, konnte das Dix-Bild dann erworben werden. Zwar wurde offiziell kein Verkaufspreis genannt, aber Experten schätzen eine hohe sechstellige Kaufsumme, zumal auf der Website des Auktionshauses die Summe von 793.000 EUR (inkl. Aufgeld) genannt wird.
Das Otto Dix Gemälde "Sonnenaufgang" ist eines jener vielen Werke, welches von den Nazis als "entartete Kunst" eingestuft und beschlagnahmt wurde. Zuvor gehörte es jener Städtischen Galerie Dresden, die es heute wieder zeigen kann. Otto Dix hatte das Bild der Einrichtung im Jahr 1920 geschenkt. Kurz nach der Machtergreifung der Nazis beschlagnahmten diese das Gemälde. Das Werk "Sonnenaufgang" wurde dann später auch in der Münchener Ausstellung „Entartete Kunst“ gezeigt. Danach lagerte es im Reichspropagandaministeriums und tauchte in den späten 1940er Jahren in einer westdeutschen Privatsammlung auf.
Die wechselhafte und schicksalhafte Provenienzgeschichte des Dix-Bildes
Warum man nach Kriegsende und in den Folgejahren das Bild nicht wieder nach Dresden zurückgegeben wurde ist unklar. Laut der Provenienzbeschreibung der Villa Grisebach tauchte das Gemälde um 1943 beim Kunsthändler Bernhard A. Boehmer in Güstrow auf. Nach dessen Freitod 1945 hat Wilma Zelck, Vormund des Boehmer-Sohnes Peter, das Gemälde zwischen 1945 und 1947 nach Westdeutschland überführt. (Quelle+Zitat: Villa Grisebach). Frau Zelck lebte damals mit dem Kunsthändler Albert Friedrich Daberkowan zusammen. Einer der Beiden verkaufte dann den "Sonnenuntergang" an ein Stuttgarter Sammlerehepaar. Diese lieferten es dann 1951 zur Auktion in das Stuttgarter Kunstkabinett von Roman Norbert Ketterer ein. Dort wurde es zur 14. Auktion des Stuttgarter Kunstkabinetts im Jahr 1951 für 360,- DM an den Stuttgarter Sammler Dr. Hugo Borst versteigert.
Literatur zum Geschäft mit NS-Raubkunst und entarteter Kunst
Im Jahr 2009 veröffentlichte der Journalist Stefan Koldehoff das Buch "Die Bilder sind unter uns - das Geschäft mit der NS-Raubkunst". Er schildert wie Galeristen, Händler, Auktionshäuser und Kuratoren bis heute über ihr Netzwerk, Museen und Sammler mit Raubkunst versorgen können.
Auch die aktuelle Spiegel-Ausgabe greift diesen Aspekt auf. Nach seinen Recherchen in der Münchner Pinakothek der Moderne bezeichnet das Magazin die Personalsituation in der deutschen Provenienzforschung als dramatisch und der Umgang der Bundesrepublik mit diesem Thema als "ein moralisches Desaster".
Die Kulturstiftung der Länder kommentierte die Rückführung des Otto Dix Bildes "Sonnenaufgang" von 1913 wie folgt:
"Somit kann jetzt auf glückliche Weise eine der vielen Lücken geschlossen werden, die der nationalsozialistische Bildersturm in den Museumsbeständen hinterließ. Die Kulturstiftung der Länder bemüht sich seit Langem, die schweren Verluste in deutschen Sammlungen zumindest punktuell auszugleichen."