Wie schafft man es, einen Künstler- und Galerien-Hotspot auch zu einem florierenden Kunstmarkt zu verwandeln. Dieses Rätsel versucht man in Berlin nun schon seit mehr als 1,5 Jahrzehnten zu lösen. Auch dieses Jahr hat man wieder die sich Mantrahaft wiederholenden Floskeln anlässlich der Berlin Art Week herausgeholt. Sätze wie "Die Attraktivität von Berlin ist ungebrochen." (Kristian Jarmuschek von der POSITIOS), oder "Berlin dominiert mittlerweile fast global die Kreativität," von Kulturstaatssekretär Tim Renner (SPD) kennt man seit Jahren. Die harten Kunstmarktzahlen sprechen allerdings eine ganz andere Sprache.
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Das wissen natürlich auch die wechselnden Verantwortlichen in Politik, Kultur und Wirtschaft. Nur hat dieses Wissen bisher zu keiner befriedigenden Lösung für Berlin geführt. Es fehlt schlicht die Kaufkraft in der Stadt, sprich die Sammler, die 6000 Künstler/innen und über 400 Galerien am Leben erhalten sollen. Das gute Dutzend potenter privater Sammler in der Stadt reicht da einfach nicht aus. Mit dem Gallery Weekend, übrigens nach wie vor sehr erfolgreich, lässt man die nationalen und internationalen Kunstsammler eigens einfliegen. Das machen allerdings auch andere wichtige Kunststandorte und Veranstaltungen in der Welt.
Von Wirtschaftssenatorin Cornelia Yzer (CDU) wird der von ihr genannte Umsatz des Kunstmarkts Berlin von 700 Millionen Euro als Erfolg bewertet. Dazu muss man dann aber auch erwähnen, das solche Umsätze im Kunstmarkt von großen Auktionshäusern wie Christie's oder Sotheby's mit ein bis zwei Abendauktionen eingespielt werden. Einzelne Galerien wie Gagosian oder Zwirner machen im Jahr so viel Umsatz wie der ganz Kunstmarkt-Standort Berlin.
In Bezug auf gemeinsame Anstrengungen und das Thema Kunstmessen wird der Hauptstadt gerne eine "Galerien-Klickenwirtschaft" nachgesagt, die an den Stadtgrenzen nicht haltmacht. Zu Zeiten des Art-Forums Berlin gründeten einige Berliner Galerien die abc - art berlin contemporary. Kein gutes Zeichen für eine Messe, wenn wichtige einheimische Galerien fehlen und auf der Konkurrenzveranstaltung auftauchen. Als 2011 die Kunstmesse "Art Forum Berlin" dann eingestampft wurde, schien für die abc, wie die "art berlin contemporary", genannt wird, der Weg frei. Doch so richtig konnte man sich nie entscheiden, ob man eine Messe ist oder eine kuratierte Galerienschau. Ob dies entscheidend für einen Erfolg einer Veranstaltung ist, sei einmal dahingestellt.
Übrigens, als der Landesverband Berliner Galerien nach der Schließung des Art Forums eine Umfrage unter den eigenen Mitgliedern zum Thema "Sollte das Art-Forum-Berlin wieder stattfinden?" durchführte, hielten 75 Prozent die Schließung des Art Forums für einen Fehler!
Und wie sieht es aktuell in Berlin aus? In den letzten Wochen und Monaten machten wieder Meldungen von Galerieschließungen, Abgängen oder Kooperationen die Runde. Die abc hat ihre Teilnehmerzahl drastisch reduziert. Die Zahl ausländischer Galerien, immer ein Qualitätskriterium für eine Kunstmesse, war das Gründungsjahr mal ausgenommen, noch nie so gering. Maike Kruse, Direktorin der abc und des Gallery Weekend sagt dazu:
"Wir versuchen dieses Jahr, eher ein kleiner, feiner Salon zu sein als eine Großausstellung"
Andere Marktteilnehmer sehen hier schon Anzeichen für einen Niedergang der abc, wie etwa die Initiative "dikum" (das institut für kunst und markt) von Susanne Massmann und Cai Wagner. Beide sind selbst im Kunstmarkt mit der Galerie Wagner + Partner tätig. Am Mittwoch wollen die beiden Protagonisten während eines Pressefrühstücks über die aktuelle Lage im Berliner Kunstmarkt sprechen.
All diese Entwicklungen und Fakten sehen nicht unbedingt danach aus, das Berlin in den kommenden Jahren nun neben dem Produzentenstandort auch ein attraktiver Sammler- und Kunstmarkt-Standort wird. Aber warten wir es ab. Schließlich hat es einer der prominentesten Berliner Galeristen im aktuellen BILANZ-Ranking der "750 reichsten Deutschen" immerhin auf Platz 575 geschafft. Die Rede ist von Gerd Harry Lybke, Inhaber der Galerie Eigen + Art, der mit einem geschätzten Vermögen von 200 Millionen EUR im Ranking aufgeführt ist. Das es nicht allen Galerien so gut geht, wie der von Gerd Harry Lybke, sieht man an Kennzahlen wie Folgender:
66 Prozent der deutschen Galerien erzielen einen Umsatz von jährlich weniger als 200.000 Dollar.
Quelle: Galerie gründen - der 9-Punkte Plan für erfolgreiche Kunstgalerien
Was auf der Berlin Art Week trotz aller Standortfakten und Vorurteilen geboten wird, kann man in unserem Themenspezial nachlesen und verfolgen.
Foto-oben: abc Austellungsansicht / installation view, 2015, Blain Southern, Marius Bercea, Foto: Marco Funke